Altlast O44: Chemiepark Linz

Auf dem „Chemiepark Linz“ werden seit 1942/43 auf einer Fläche von rund 900.000 m² Produktionsanlagen für zahlreiche chemische Erzeugnisse betrieben und dafür große Mengen unterschiedlichster anorganischer und organischer Stoffe eingesetzt und gelagert.

Das Grundwasser im Bereich des Standortes ist flächendeckend durch Natrium, Magnesium, Chlorid, Ammonium und Desphenyl-Chloridazon verunreinigt. In Teilbereichen sind auch starke Verunreinigungen durch aromatische Kohlenwasserstoffe, Arsen und Pflanzenschutzmittel vorhanden. Die in diesen Teilbereichen im Grundwasser transportierten Schadstofffrachten sind als gering bis erheblich einzustufen, eine weiterreichende Schadstoffausbreitung findet nicht statt. Mittel- bis langfristig ist nicht mit einer relevanten Änderung in Bezug auf den Schadstoffeintrag in das Grundwasser zu rechnen. Aufgrund der Intensität und des Ausmaßes der im Grundwasser nachgewiesenen Verunreinigungen ist davon auszugehen, dass im Bereich der Altlast erhebliche Untergrundkontaminationen vorhanden sind. Für die bestehenden Nutzwasserentnahmen auf dem Gelände ergeben sich aktuell keine Einschränkungen. Entsprechend den Kriterien für die Prioritätenklassifizierung ergibt sich für die Altlast O44 „Chemiepark Linz“ die Priorität 3.

Bezirk:
Gemeinde:
Katastralgemeinde:
Grundstücksnummern:
Linz,
Linz,
Lustenau,
555/13, 568/7, 570/3, 570/5, 570/8, 570/12, 593/1, 601/1, 601/5, 631/52, 1495/3, 1615/1, 1615/5, 1616/1, 1616/2, 1625/2, 1625/8, 1625/12, 1625/15, 1625/16, 1625/17, 1625/18, 1625/20, 1625/21, 1625/28, 1625/30, 1625/34, 1625/36, 1625/37, 1625/38, 1625/48, 1625/69, 1625/86, 1625/94, 1625/106, 1625/107, 1625/109, 1625/111, 1629, 1639/5, 1639/9, 1639/11, 1639/12, 1639/14, 1640, 1641/5, 1641/6, 1642, 1643/5, 1644, 1645/4, 1645/5, 1645/6, 1651/1, 1651/2, 1651/4, 1651/6, 1651/11, 1652/1, 1652/2, 1663, 1665, 1670/4, 1671/1, 1679/3, 1679/5, 1679/6, 1679/7, 1679/13, 1679/14, 1679/15, 1679/16, 1679/18, 1679/20, 1745, 1746
Lage der Altlast : Altlast im GIS anzeigen
Art der Fläche: Altstandort
Branche: Chemische Industrie
Fläche Altlast (m²): 790.000 m²
Schadstoff(e) Organische Lösungsmittel (leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe, aromatische Kohlenwasserstoffe)
Schwer abbaubare organische Schadstoffe (Pestizide)
Datum Eintrag Altlastenatlas: 16.12.1999
Datum der Prioritätenfestlegung: 15.12.2022
Priorität: 3
Datum Aktualisierung Altlastenatlas: 15.12.2022

BESCHREIBUNG DER STANDORTVERHÄLTNISSE

Betriebliche Anlagen und Tätigkeiten

Gesamtstandort

Der etwa 900.000 m² umfassende Standort „Chemiepark Linz“ befindet sich im Osten der Stadt Linz direkt an der Donau.

Die im Jahre 1939 gegründeten „Stickstoffwerke Ostmark AG“ nahmen auf dem Areal des heutigen Chemieparks 1942/43 den Betrieb auf. Nach dem 2. Weltkrieg gingen sie in das Eigentum der Republik Österreich über und wurden in „Österreichische Stickstoffwerke AG“ sowie 1973 in „Chemie Linz AG“ umbenannt. Ende der 1970er-Jahre waren rund 7.500 Personen im Unternehmen beschäftigt. In den späten 1980er-Jahren wurden einzelne Unternehmensbereiche als Tochtergesellschaften einer übergeordneten „Chemie Holding AG“ ausgelagert (Chemie Linz, Agrolinz, CL Pharma), 1990 erfolgte die Privatisierung der gesamten Holding. Derzeit werden die Produktionsanlagen auf dem Standort von einer größeren Anzahl an Firmen betrieben.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Errichtung der Stickstoffwerke war die Nutzung des Kokereigases aus dem südlich gelegenen Eisen- und Stahlwerk zur Produktion von Wasserstoff, der bei der Synthese von Ammoniak mit dem Haber-Bosch-Verfahren benötigt wurde. In den ersten Betriebsjahren während des 2. Weltkrieges wurde vor allem Pflanzendünger wie Kalkammonsalpeter („Nitramoncal“), eine Mischung aus Ammoniumnitrat und Calciumcarbonat, produziert. Im Laufe des 2. Weltkrieges wurde neben Düngemitteln zunehmend Salpetersäure und daraus Sprengstoff produziert. Ebenso wie das südlich gelegene Stahlwerk wurde der Betrieb in den Jahren 1944 und 1945 bombardiert, die Schäden waren aber vergleichsweise geringer.

Im Jahr 1947 wurde die Produktion von Chlorethan und Lachgas als Narkosemittel, Sulfonamid als Ausgangsstoffe für Heilmittel, Nitrobenzol für die Farben- und Seifenindustrie und Anilinsalz für Färbereien aufgenommen. Im Bereich der Düngemittel kam 1952 die Ammonsulfatproduktion aus Ammoniak, Kohlensäure und Gips hinzu.

Als weitere chemische Roh- und Grundstoffe wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren Leim, Humusdünger, Chromalaun als Gerbstoff, Weichmacher, Natriumbisulfit und Schwefelsäure erzeugt. Im Jahr 1954 ging die Gips-Schwefelsäure-Anlage zur Erzeugung von Schwefelsäure, Zement und Superphosphat (Dünger) sowie 1958 die Harnstoffanlage in Betrieb. Ende der 1950er-Jahre startete zudem die Produktion von Pharmazeutika, Kunststoffen und Chemiefasern. Im Jahr 1965 wurde die Phosphorsäureanlage in Betrieb genommen. Ab 1967 wurde aus Harnstoff Melamin hergestellt. In den 1970er-Jahren wurde im nordöstlichen Teil des Areals auch mit der Produktion von Pflanzenschutzmitteln begonnen.

Im Jahr 1970 war die Düngemittelproduktion mit knapp 50 % am Umsatz des Standortes beteiligt. Die andere Hälfte entfiel auf Pflanzenschutzmittel, Chemikalien und Katalysatoren, Kunststoffe (Polypropylen ab 1958) und Weichmacher, Klebstoffe sowie Pharmazeutika. Auf dem Standort wurde auch 2,4,5-Trichlorphenol produziert. Die entsprechende Anlage wurde nach dem Jahr 1976 geschlossen.

In der Entwicklung des Standortes über mehrere Jahrzehnte wurden laufend neue Produktionsanlagen errichtet, Produktionsanlagen erweitert, Verfahren umgestellt oder Anlagen aufgelassen. Insbesondere in den 1980er-Jahren wurden zahlreiche der erwähnten Anlagen erweitert, adaptiert oder aufgelassen und abgebrochen.

Im Jahr 1985 betrug der Anteil der Düngemittel noch etwa 30 % des Umsatzes. Kunststoffe, Fasern und Vliese nahmen ebenfalls rund 30 % ein, Pflanzenschutzmittel 8 % und der Pharmabereich 3 %. Ein Viertel entfiel auf diverse anorganische und organische Produkte und Kunststoffvorprodukte.

MSA/FS-Anlage

Diese Anlagengruppe liegt im südwestlichen Teil des Chemieparks. In den im Jahr 1959 errichteten Bauten 525 und 526 befinden sich Anlagen zur Produktion von Methansulfonsäure (MSA) und Fumarsäure (FS), in der als Edukte u. a. große Mengen an Benzol und o-Xylol Verwendung finden. Im benachbarten Bau 52 wird seit 1971 eine Mehrzweckanlage betrieben, in der u. a. organische Lösungsmittel wie aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Alkohole und Ketone eingesetzt wurden. Im Bereich dieser Anlagengruppe kam es in der Vergangenheit zu mehreren Unfällen mit diversen Chemikalien (Phenol, Sarkosin-Natrium-Lösung, Xylol, Butanol). Der betroffene Untergrund wurde teilweise ausgehoben. Im Jahr 1985 trat eine größere Menge Benzol aus, in der Folge wurde über mehrere Jahre eine hydraulische Sicherung betrieben. Der Bereich der MSA/FS-Anlage wurde im Jahre 2000 näher untersucht.

Gipsdeponie

Im südöstlichen Bereich des Standortes wurde auf einer Fläche von bis zu 25.000 m² von 1954 bis 1972 eine Deponie betrieben („Gipsdeponie“). Es wurde vor allem der Fällungsgips aus der Säureproduktion abgelagert, wobei anzunehmen ist, dass auch andere Abfälle deponiert wurden. Die Ablagerungen reichen bis in den Grundwasserschwankungsbereich, sodass die Mächtigkeit der Deponie bis zu maximal 7 m beträgt. Bis vor ca. 10 Jahren bestand in diesem Bereich eine mehrere Hektar große Freifläche, die größtenteils asphaltiert war und als Lagerplatz genutzt wurde. In den Jahren 2010 bis 2012 erfolgten auf der Deponie im Zuge der Neuerrichtung der Katalysatoranlage Untergrunduntersuchungen und Aushubarbeiten.

Untergrundverhältnisse

Der Standort befindet sich im Bereich der ehemaligen Auterrasse der Donau. Der natürliche Untergrund im Bereich der Terrasse besteht aus oberflächennahen feinkörnigen Deckschichten (Ausande und Aulehme), die von quartären kiesig-sandigen Sedimenten als Grundwasserleiter und feinkörnigen, tertiären Sedimenten (Schlier) als Grundwasserstauer unterlagert werden. Im Zuge der industriellen Erschließung des Standortes erfolgten in weiten Bereichen bis zu 3 m mächtige künstliche Anschüttungen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass im gesamten Bereich des Standortes der natürliche Untergrund durch anthropogene Aufschüttungen überdeckt ist oder dass auch die feinkörnigen natürlichen Deckschichten zum Teil ersetzt wurden.

Die Geländeoberfläche befindet sich etwa auf 253 m bis 255 m ü. A. Ab einer Tiefe von 3 m bis 7 m stehen sandige Kiese an, bei denen es sich um quartäre, fluviatile Sedimente handelt, die sehr gut durchlässig sind. Der Grundwasserspiegel befindet sich generell rund 5 m bis 7 m unter Gelände (rund 248 m bis 250 m ü. A.). Die Aquiferbasis zeigt im Untersuchungsbereich kein ausgeprägtes Relief und liegt zum Großteil auf einem Niveau von 238 m bis 241 m ü. A. Die Aquiferbasis fällt nach Osten zur Donau, aber auch gegen Nordwesten hin ab. Gegen Südwesten ist ein Anstieg der Aquiferbasis auf über 244 m ü. A. zu beobachten. Im Schlierrelief ausgebildete Längsstrukturen ziehen von Nordwesten nach Südosten. Die Grundwassermächtigkeit beträgt bei mittlerem Grundwasserstand 8,5 m bis 10 m.

Generell strömt das Grundwasser aus der Welser Heide kommend nach Osten bzw. Nordosten in Richtung Donau. Seit der Errichtung des Donaukraftwerkes Abwinden-Asten im Jahr 1979 werden im Untersuchungsgebiet die Grundwasserstände durch Dichtwandumschließungen der Donau inkl. ihrer Hafenbecken sowie durch Pumpwerke reguliert, mittels derer das anströmende Grundwasser in die Donau übergeleitet wird. Dieser Aufstau der Donau führte zu einem Anstieg des mittleren Grundwasserspiegels im Bereich des Chemieparks um rund 1 m im Ostteil und bis zu 1,5 m im Westteil. Der Wasserspiegel der Donau liegt seit Kraftwerkserrichtung über dem Wasserspiegel des anströmenden Grundwassers. In aktuellen wasserwirtschaftlichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Dichtwände entlang der Donau keine vollständige Abdichtung bewirken und eine Infiltration von Donauwasser in das Grundwasser gegeben ist (entlang der Uferlinie des Chemieparks in Summe etwa 70 l/s). Insbesondere aus dem Bereich des nördlich gelegenen Tankhafens kommt es zu einer Infiltration von Donauwasser in das Grundwasser (z. B. im November 2018; siehe Abbildung 5). Die Grundwasserstände unterliegen seit Fertigstellung des Donaukraftwerkes nur geringen jahreszeitlichen Schwankungen von 0,3 m bis 0,6 m.

Weiters werden die Grundströmungsverhältnisse durch das im Zuge der Sanierungsmaßnahmen an der Altlast O76 „Kokerei Linz“ betriebene „Funnel & Gate-System“ beeinflusst. Dabei wird das Grundwasser mittels einer Dichtwand, die bis in den Grundwasserstauer reicht (Funnel) zu den Gates geleitet. Die mit Aktivkohle befüllten Gates ermöglichen an definierten Bereichen ein Durchströmen des Grundwassers von der Kokerei in Richtung Chemiepark und gleichzeitig eine Adsorption der im Grundwasser transportierten Schadstoffe (vornehmlich polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe - PAK). Insgesamt befinden sich entlang der Nordgrenze der Altlast „Kokerei Linz“ 12 Gates.

Im Osten entlang der Donau wird das Grundwasser über eine ca. 650 m lange Drainage gefasst und über den Drainagebrunnen B147a in die Donau geleitet. Aufgrund der Grundwasserdynamik schwankt die Fördermenge des Drainagebrunnens um einen Faktor von mehr als 2 (z. B. 73 l/s im März 2014 vs. 167 l/s im Juni 2013), wobei die höchsten Entnahmemengen in den Sommer- und Herbstmonaten registriert werden, die geringsten im Frühjahr. Im langjährigen Durchschnitt ergibt sich eine Fördermenge von rund 90 l/s.

Im Zuge von Pumpversuchen wurden folgende hydraulische Durchlässigkeiten im Bereich des Standortes ermittelt:

  • Nordteil: 2,0 E-04 bis 4,0 E-03 m/s
  • Zentralteil: 1,0 E-04 bis 2,0 E-03 m/s
  • Südteil: 1,0 E-03 bis 5,0 E-03 m/s

Das hydraulische Gefälle ist z. T. sehr gering, im Bereich der Stickstoffanlagen beträgt es nur rund 0,7 ‰, im nordöstlichen Teil (Pflanzenschutzmittelproduktion) 2 ‰ und im südöstlichen Teil Richtung Drainage bis zu 3 ‰. Die effektive Porosität der quartären Kiese im Bereich der Linzer Bucht beträgt rund 0,2 bis 0,25.

Entsprechend dem hohen Bebauungs- und Versiegelungsgrad ist auf dem gesamten Standort, mit einer geringen Grundwasserneubildungsrate zu rechnen, sodass das Verdünnungspotential des Grundwassers gegenüber dem Sickerwasser als hoch anzunehmen ist.

Schutzgüter und Nutzungen

Der „Chemiepark Linz“ befindet sich in einer industriell geprägten Umgebung. Südlich des Areals liegt das Eisen- und Stahlwerk der Voestalpine mit der Altlast O 76 „Kokerei Linz“, die vom Chemiepark durch die Steyregger Bundesstraße (B3) und eine Eisenbahnlinie (Summerauer Bahn) getrennt wird. Östlich des Areals fließt die Donau Richtung Süden. Im Norden liegt ein Hafenbecken der Donau („Tankhafen“). Westlich wird der Chemiepark von industriell und gewerblich genutzten Arealen begrenzt.

Auf dem Standort des Chemieparks befinden sich neben den Produktions- und Lagergebäuden für Ausgangsstoffe und Produkte, zahlreiche Verwaltungs- und Laborgebäude, Werkstätten, Verkehrs- und Grünflächen sowie im nordöstlichen Bereich ausgedehnte Gleisanlagen. Zwei Bereiche des Chemieparkareals sind als Altlasten O86 „Chemiepark Linz – Pflanzenschutzmittelproduktion“ und O87 „Chemiepark Linz – Stickstoffanlagen und Mehrzweckanlage“ ausgewiesen.

Mittel- bis langfristig kann davon ausgegangen werden, dass auf dem gesamten Areal und seinem Umfeld die industrielle Nutzung bestehen bleibt.

Entsprechend der industriellen Nutzung des Areals und seiner Umgebung bestehen im Bereich des Chemieparks und in seinem Grundwasserabstrom keine Wasserrechte zur Entnahme von Trinkwasser. Im Bereich des Standortes werden einige Brunnen zur Wasserhaltung bzw. zur Entnahme von Nutzwasser (z. B. für Kühlzwecke) betrieben.

 

Brunnen Entnahmemenge 2016-2019 [l/s] Lage
B25 (Absenkbrunnen) 3,7 - 4,4 Anstrom Chemiepark
B33 (Absenkbrunnen) 1,0 - 1,2 Anstrom Chemiepark
B35 (Sanierungsbrunnen) ca. 3 Abstrom PSM-Produktion
B88 (Nutzwasserbrunnen) 2,9 - 3,6 Anstrom Chemiepark
B92 (Nutzwasserbrunnen) 4,0 - 5,3 (max. Konsenswassermenge: 67) Anstrom Chemiepark
B147a (Drainagebrunnen) bis 200 
2013/2014: 73 - 167 (Mittelwert 100) 
Mittelwert 1995-2004: 130
Östliche Grenze Chemiepark
(Ableitung in die Donau)

Nördlich des Drainagebrunnens wurde zudem bis 2019 der Nutzwasserbrunnen B144 betrieben, der mittlerweile stillgelegt und rückgebaut wurde. Der im Zuge eines Vorfalls bei der Harnstoffanlage errichtete Sperrbrunnen, der in unmittelbarer Nähe zur Messstelle B423a liegt, ist ebenfalls nicht mehr in Betrieb. 

Mittels der Drainage und des Drainagebrunnens B147a sowie der niveaugesteuerten Absenkbrunnen im Anstrom wird der Grundwasserspiegel abgesenkt und annähernd konstant gehalten. Das über den Brunnen B147a abgepumpte Drainagewasser wird direkt in die Donau geleitet.

Der Sanierungsbrunnen B35 wurde im Zuge eines Vorfalls im Bereich der Pflanzenschutzmittelproduktion im Jahre 2016 als Sperrbrunnen errichtet. Das geförderte Grundwasser wird in den sogenannten „Biokanal“ abgeleitet. In diesen Kanal werden auch die überwiegend organisch belasteten Abwässer aus den Produktionsanlagen, den Laboratorien sowie in geringerem Umfang auch aus den Sanitäreinrichtungen aller am Chemiepark Linz angesiedelten Firmen eingeleitet und der werksinternen Biologischen Abwasservorreinigung (BAV) zugeführt. Das Rohrleitungsnetz des Biokanals umspannt nahezu den gesamten Chemiepark.

Die überwiegend häuslichen Abwässer der im südwestlichen Teil des Chemieparks liegenden Verwaltungsgebäude werden über die öffentliche Kanalisation entsorgt.

Für Kühlzwecke wird Oberflächenwasser aus der Donau entnommen, mechanisch gereinigt und über ein dichtes Netz im Chemiepark an die Abnehmer verteilt. Dieses Wasser wird hauptsächlich zur Prozesskühlung herangezogen und nach Nutzung über den Kühlwasserkanal und ein Auslaufbauwerk wieder in die Donau abgeleitet. In den Kühlwasserkanal wird zudem ein Teil der anfallenden Oberflächenwässer im Chemiepark eingeleitet, die restlichen Oberflächenwässer fließen in den Bio- bzw. in den öffentlichen Kanal.

 

GEFÄHRDUNGSABSCHÄTZUNG

Der etwa 900.000 m² umfassende „Chemiepark Linz“ befindet sich im Osten der Stadt Linz direkt an der Donau in einer industriell geprägten Umgebung. Südlich an den Standort angrenzend liegt die Altlast „Kokerei Linz“, in deren nach Nordosten gerichteten Grundwasserabstrom Mitte der 2010er-Jahre eine durchströmte Reinigungswand errichtet wurde.

Auf dem Standort des Chemieparks werden seit den Jahren des 2. Weltkrieges unterschiedlichste chemische Erzeugnisse hergestellt. Anfangs war dies hauptsächlich stickstoffhältiger Pflanzendünger („Stickstoffwerke“), im Laufe der Zeit kamen unter anderen chemische Grundstoffe, wie Schwefel- und Salpetersäure, Melamin und andere Kunststoffe, Kunststoffvorprodukte und Weichmacher, Fasern und Vliese, Pflanzenschutzmittel sowie Pharmazeutika hinzu. Im Jahr 1985 betrug der Anteil der Düngemittel etwa 30 % des Umsatzes. Kunststoffe, Fasern und Vliese nahmen ebenfalls rund 30 % ein, Pflanzenschutzmittel 8 % und der Pharmabereich 3 %. Ein Viertel entfiel auf diverse anorganische und organische Produkte und Kunststoffvorprodukte.

Der Untergrund ist im Bereich des Standortes von quartären kiesig-sandigen Sedimenten als Grundwasserleiter geprägt, die von feinkörnigen, tertiären Sedimenten (Schlier) als Grundwasserstauer unterlagert werden. Generell ist der etwa 8,5 m bis 10 m mächtige, ergiebige Grundwasserstrom nach Osten bzw. Nordosten in Richtung Donau gerichtet. Seit der Errichtung des Donaukraftwerkes Abwinden-Asten im Jahr 1979 wird der Grundwasserstand durch Dichtwandumschließungen entlang der Donau und durch Pumpwerke reguliert. Im Osten entlang der Dichtwand zur Donau befindet sich eine Drainage, von der aus das Grundwasser über den Drainagebrunnen B147a in die Donau abgeleitet wird. Der Grundwasserflurabstand beträgt im Bereich rund 5 m bis 7 m.

Entsprechend der industriellen Nutzung des Standortes und seiner Umgebung bestehen im Bereich des Chemieparks keine Wasserrechte zur Entnahme von Trinkwasser.

Zur Untersuchung des Standortes und seiner Auswirkungen auf die Umwelt wurden seit 1998 in zwei Phasen Grundwasseruntersuchungen durchgeführt, zuletzt 2018 bis 2021 an insgesamt rund 90 Messstellen. Untergrunduntersuchungen konnten aufgrund der komplexen Einbautensituation mit zahlreichen unterirdisch verlegten Ver- und Entsorgungsleitungen und der Sensibilität der Produktionsanlagen nur stichprobenartig in ausgewählten Bereichen durchgeführt werden.

Ausgehend von der Vielzahl an unterschiedlichen Produktionsanlagen und eingesetzten Stoffen konnten auf dem Areal des Chemieparks mehrere Bereiche mit Grundwasserverunreinigungen unterschiedlicher Art, Größe und Intensität identifiziert werden.

In Hinblick auf Natrium, Magnesium, Chlorid und Ammonium, sowie untergeordnet Phosphat und Nickel, sind großräumige Grundwasserverunreinigungen festzustellen. Überschreitungen der jeweiligen Prüfwerte der ÖNORM S 2088-1 treten häufig und z. T. fast flächendeckend auf. Ähnliches gilt für Desphenyl-Chloridazon, einen Metaboliten des Herbizids Chloridazon, der fast flächendeckend auf dem gesamten Chemieparkareal mit einer mittleren Konzentration von ca. 0,2 µg/l im Grundwasser nachzuweisen ist (Parameterwert der Trinkwasserverordnung: 0,1 µg/l). Diesen großräumigen Grundwasserverunreinigungen können auf Basis der derzeit vorliegenden Untersuchungsergebnisse keine eindeutigen Schadstoffquellen zugeordnet werden. Mit den erhöhten Ammoniumgehalten einhergehend – und verstärkt durch die unten beschriebenen Verunreinigungen durch organische Schadstoffe, wie chlorierte und aromatische Kohlenwasserstoffe sowie Pflanzenschutzmittel – sind generell sehr niedere Gehalte an gelöstem Sauerstoff zu beobachten (Median: 0,1 mg/l). Dieses sauerstoffarme Milieu bedingt wiederum flächendeckend erhöhte Eisen- und Mangankonzentrationen (Median: 0,4 mg/l bzw. 0,5 mg/l) sowie ebenfalls in großen Bereichen erhöhte Arsenkonzentrationen (Median im Bereich des Prüfwerts von 0,006 mg/l).

Neben diesen großräumigen Verunreinigungen können drei weitere Bereiche identifiziert werden, von denen maßgebliche Grundwasserverunreinigungen ausgehen.

Im Bereich der Methansulfonsäure/Fumarsäure-Anlage (MSA/FS-Anlage) ist eine hohe Grundwasserbelastung durch o-Xylol bis ca. 80 µg/l festzustellen. Vermutlich aufgrund mikrobieller Abbauprozesse ist in diesem Bereich auch der Sauerstoffgehalt im Grundwasser reduziert und dementsprechend sind neben erhöhten Eisen,- Mangan- und Ammoniumkonzentrationen auch die Arsenkonzentrationen erhöht (maximal 0,07 mg/l; Prüfwert: 0,006 mg/l). Im unmittelbaren Abstrom liegen die im Grundwasser transportierten Schadstofffrachten im Falle von o‑Xylol unter der als erheblich zu klassifizierenden Fracht von 25 g/d. Im Falle von Arsen liegt die Fracht in derselben Größenordnung wie die erhebliche Fracht (5 g/d). Vor allem die erhöhten Arsenkonzentrationen sowie die damit korrespondierenden Frachten lassen auf einen hohen Schadstoffeintrag aus diesem Bereich in das Grundwasser schließen. Die Xylol-Verunreinigung beschränkt sich auf den unmittelbaren Abstrom der Anlage, eine weiterreichende Schadstofffahne ist nicht ausgebildet.

Südwestlich der MSA/FS-Anlage sind in der Nähe von Bau 44 erhöhte Gehalte an leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW) bis zu rund 70 µg/l nachzuweisen. Ausgehend von Tetrachlorethen sind auch dessen Abbauprodukte cis-1,2-Dichlorethen und Vinylchlorid in relevanten, die jeweiligen Prüfwerte der ÖNORM S 2088-1 überschreitenden Konzentrationen vorhanden. Die auf Basis der Immissionspumpversuche ermittelten Frachten liegen unter der als erheblich zu bewertenden Fracht von 15 g/d für die Summe CKW bzw. von 5 g/d für Tetrachlorethen.

Im Bereich der Gipsdeponie im südöstlichen Areal des Chemieparks wurden im Zuge von Untergrunduntersuchungen im Rahmen der Errichtung der Katalysatoranlage neben hohen Sulfatgehalten im Eluat teilweise auch erhöhte Mineralölkohlenwasserstoff- und PAK-Konzentrationen im Gesamtgehalt analysiert. In den Grundwasseruntersuchungen sind erhöhte Konzentrationen hinsichtlich der Parameter Pflanzenschutzmittel (PSM), Chlorbenzole, Sulfat und Ammonium festzustellen. Die PSM-Konzentrationen liegen zum Teil über 1 µg/l und damit deutlich über dem Parameterwert der Trinkwasserverordnung für die Summe der Pestizide von 0,5 µg/l. Als relevante Einzelsubstanzen konnten fast durchwegs die Herbizide 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (2,4-D) und Mecoprop (MCPP) sowie an einzelnen Messstellen das Insektizid Lindan (γ‑Hexachlorcyclohexan; γ-HCH), der Pyridat-Metabolit CL9673 und das Herbizid 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure (2,4,5-T) identifiziert werden. Das Stoffspektrum unterscheidet sich damit signifikant von der Grundwasserverunreinigung im Bereich der PSM-Produktion (Altlast O 86) mit den Hauptkontaminanten Fluometuron, Chlortoluron, Diuron und Glyphosat. Die Chlorbenzolkonzentrationen lagen bei maximal 1,5 µg/l, relevante Stoffgruppe waren Dichlorbenzole. Die auf Basis eines Immissionspumpversuches im unmittelbaren Grundwasserabstrom ermittelte PSM-Fracht liegt in der Größenordnung der als erheblich zu klassifizierenden Fracht von 0,25 g/d. Es ist davon auszugehen, dass die über die gesamte Abstrombreite der Gipsdeponie von rund 200 m transportierte PSM-Fracht deutlich über diesem Wert liegt. Auch die Cyanidfrachten im Grundwasserabstrom liegen mit rund 40 g/d über der erheblichen Fracht von 25 g/d. Auf Basis der Messergebnisse im Grundwasseranstrom und südlich der Ablagerungen ist aber davon auszugehen, dass nur ein Teil der Cyanidfracht unmittelbar auf die Gipsdeponie zurückzuführen ist. Die erhöhten PSM- und Chlorbenzol-Konzentrationen im Grundwasser sowie die erhöhten Feststoffgehalte hinsichtlich Mineralölkohlenwasserstoffen und PAK sind ein Indiz dafür, dass auf der Gipsdeponie neben Fällungsgips aus der Säureproduktion auch andere Produktionsrückstände zur Ablagerung kamen. Im Zuge der Errichtung der Katalysatoranlage wurden in Teilbereichen die obersten rund 1,5 m des Untergrundes entfernt. Da die Ablagerungen aber bis in den Grundwasserschwankungsbereich (maximal 7 m) reichen, ist der Großteil des Deponiematerials noch im Untergrund vorhanden. Dieser Bereich umfasst grob geschätzt ein Volumen von maximal 50.000 m³. Der Volumsanteil der Gipsdeponie, der mit anderen Abfällen vermischt ist, kann mit maximal 50 % abgeschätzt werden. Auch in diesem Bereich beschränkt sich die Grundwasserverunreinigung auf den unmittelbaren Abstrom der Deponie.

In Hinblick auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ist ein deutlicher Rückgang der Belastung seit Beginn der Untersuchungen Anfang der 2000er-Jahre zu beobachten, der auf die Errichtung der durchströmten Reinigungswand im Abstrom der Altlast O76 „Kokerei Linz“ zurückzuführen ist.

Aufgrund der Abdichtungsmaßnahmen entlang der Donau sind im Abstrom des Chemieparks Wasserhaltungsmaßnahmen notwendig. Schadstoffbelastetes Grundwasser wird über eine Drainage erfasst und über einen Brunnen ungereinigt in die Donau abgeleitet. Als relevante Stoffgruppen können in diesem Zusammenhang PSM und Chlorbenzole sowie Arsen und Cyanide identifiziert werden, wobei der überwiegende Anteil der Schadstofffracht im Drainagebrunnen auf den Schadstoffeintrag im Bereich der Altlast O 86 „Chemiepark Linz – Pflanzenschutzmittelproduktion“ zurückgeführt werden kann. Eine Abschätzung der für PSM, Chlorbenzole, Arsen und Cyanid ermittelten aktuell maximal möglichen Schadstoffkonzentrationen in der Donau zeigt, dass diese Konzentrationen auch bei einem sehr ungünstigen Szenario deutlich geringer als die entsprechenden Umweltqualitätsnormen für ökotoxikologisch relevante Substanzen der jeweiligen Schadstoffgruppe in der „Qualitätszielverordnung Chemie Oberflächengewässer“ sind. Dementsprechend kann eine mehr als geringfügige qualitative Beeinflussung der Donau durch die Ableitung des verunreinigten Grundwassers aus dem Bereich des Chemieparks für diese Schadstoffgruppen ausgeschlossen werden. Es werden zwar sehr große Schadstoffmengen eingeleitet, jedoch ist aufgrund des großen Wasserdurchflusses der Donau ein äußerst großes Verdünnungspotenzial vorhanden, sodass derzeit keine erhebliche Gefahr für das Oberflächengewässer gegeben ist.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Grundwasser im Bereich der Altlast „Chemiepark Linz“ flächendeckend durch Natrium, Magnesium, Chlorid, Ammonium und Desphenyl-Chloridazon verunreinigt ist. In Teilbereichen sind auch starke Verunreinigungen durch aromatische Kohlenwasserstoffe, Arsen und Pflanzenschutzmittel sowie untergeordnet durch Cyanide und chlorierte Kohlenwasserstoffe vorhanden. Die in diesen Teilbereichen im Grundwasser transportierten Schadstofffrachten sind als gering bis erheblich einzustufen, eine weiterreichende Schadstoffausbreitung findet nicht statt. Mittel- bis langfristig ist nicht mit einer relevanten Änderung in Bezug auf den Schadstoffeintrag in das Grundwasser zu rechnen. Aufgrund der Intensität und des Ausmaßes der im Grundwasser nachgewiesenen Verunreinigungen ist davon auszugehen, dass im Bereich der Altlast erhebliche Untergrundkontaminationen vorhanden sind.

 

PRIORITÄTENKLASSIFIZIERUNG

Maßgebliches Schutzgut für die Bewertung des Ausmaßes der Umweltgefährdung ist das Grundwasser. Die maßgeblichen Kriterien für die Prioritätenklassifizierung können wie folgt zusammengefasst werden:

Schadstoffpotential: groß

Im Bereich der Altlast ist das Grundwasser flächendeckend durch Natrium, Magnesium, Chlorid, Ammonium und Desphenyl-Chloridazon verunreinigt. Darüber hinaus sind im Bereich der MSA/FS-Anlage starke Verunreinigungen durch aromatische Kohlenwasserstoffe (o-Xylol) und Arsen sowie im Bereich der Gipsdeponie durch Pflanzenschutzmittel (PSM) vorhanden. Aufgrund der Intensität und des Ausmaßes der im Grundwasser nachgewiesenen Verunreinigungen ist davon auszugehen, dass im Bereich der Altlast erhebliche Untergrundkontaminationen vorhanden sind. Entsprechend ihren stofflichen Eigenschaften ist Natrium, Magnesium, Chlorid und Ammonium ein geringes sowie o-Xylol, Arsen und PSM ein hohes Gefährdungspotenzial für das Grundwasser zuzuordnen. Aufgrund des Ausmaßes und der Intensität der Kontamination und der Schadstoffeigenschaften ist das Schadstoffpotential insgesamt als groß zu bewerten.

Ausbreitung der Schadstoffe: lokal

Ausgehend von den lokalen Untergrundkontaminationen haben sich Grundwasserverunreinigungen ausgebildet, die aber jeweils auf den unmittelbaren Grundwasserabstrom beschränkt sind. Eine weitergehende Schadstoffausbreitung findet nicht statt. Während die im Abstrom der MSA/FS-Anlage ermittelten Arsen- und Xylolfrachten als gering zu beurteilen sind, liegen im Abstrom der Gipsdeponie erhebliche PSM-Frachten vor. Den insgesamt geringen bis erheblichen Schadstofffrachten und sehr kurzen Schadstofffahnen entsprechend ist die Schadstoffausbreitung als lokal zu beurteilen.

Bedeutung des Schutzgutes: gut nutzbar

Im Bereich der Altlast liegt ein ergiebiges Grundwasservorkommen vor. Entsprechend der industriellen Nutzung des Standortes und seiner Umgebung bestehen aber keine Wasserrechte zur Entnahme von Trinkwasser. Das lokale Grundwasser wird im Anstrom entnommen und für Kühl- und Brauchwasserzwecke genutzt. Im Osten des Areals wird Grundwasser im Zuge von Wasserhaltungsmaßnahmen über eine Drainage erfasst und über einen Brunnen in die Donau abgeleitet. Unter Voraussetzung der Strömungs- und Nutzungsverhältnisse im Zeitraum der Untersuchungen ergeben sich für die bestehenden Nutzungen keine Einschränkungen.

Mittel- und langfristig ist keine Änderung der industriellen Nutzung des Standortes geplant oder zu erwarten. Eine Nutzung des Grundwassers zu kommunalen Wasserversorgungszwecken ist langfristig unwahrscheinlich. Im Rahmen der Studie „Grundwasserbewirtschaftung Linz“ wurde der Standort „Chemiepark Linz“ als Bereich vorgeschlagen, in dem weitere Grundwasserentnahmen wünschenswert sind.

Vorschlag Prioritätenklasse: 3

Entsprechend der Bewertung der vorhandenen Untersuchungsergebnisse, der voranstehenden Gefährdungsabschätzung und den im Altlastensanierungsgesetz § 14 festgelegten Kriterien ergibt sich für die Altlast O44 „Chemiepark Linz“ die Priorität 3.

 

 

Datum der Texterstellung: Dezember 2021