Altlast N97: Bäckerei Hebenstreit

Auf dem Altstandort „Bäckerei Hebenstreit“, der eine Fläche von rd. 400 m² aufweist, wurden über einen Zeitraum von rd. 90 Jahren Backwaren hergestellt. Zur Energieversorgung wurde Heizöl Leicht verwendet. Ausgehend vom Altstandort und dessen Heizungsanlage liegt eine erhebliche Untergrundverunreinigung durch Heizöl Leicht vor.

Durch Sanierungsmaßnahmen im Zeitraum 1997-2004 wurde das Schadensausmaß zwar reduziert, allerdings ist aktuell auf einer Fläche von etwa 750 m² Heizöl auf dem Grundwasser aufschwimmend vorhanden. Die ungesättigte Zone im Bereich des Altstandorts und darüber hinausreichend der Grundwasserschwankungsbereich in etwa 6-7 m Tiefe sind im Gesamtausmaß von etwa 1.000 m³ erheblich verunreinigt. Darüber hinaus sind im Umfeld des Altstandortes noch Restverunreinigungen vorhanden. Die Emissionen aus dem Bereich der erheblichen Untergrundverunreinigung bzw. die Belastung des abströmenden Grundwassers sind sehr gering. Entsprechend den Kriterien für die Prioritätenklassifizierung ergibt sich für den erheblich verunreinigten Bereich des Altstandortes die Priorität 3.

BESCHREIBUNG DER STANDORTVERHÄLTNISSE

Betriebliche Anlagen und Tätigkeiten

Der Altstandort „Bäckerei Hebenstreit“ befindet sich in zentraler Lage im Stadtgebiet von Tulln und umfasst eine Fläche von etwa 400 m².

Auf dem Standort wurde ab etwa Anfang der 1920er Jahre bis 2011 eine Bäckerei betrieben. Im östlichen Teil des Gebäudekomplexes befanden sich im Erdgeschoß der Verkaufsraum, Büro- und Lagerräume und eine Küche. Daran anschließend, im zentralen Teil des Gebäudekomplexes, befand sich die Backstube mit den Backöfen. Während der Betriebsdauer erfolgten am gesamten Standort mehrere Umbauten, Erweiterungen und Änderungen der Betriebsanlagen. Im Obergeschoß befanden sich Wohnräume.

Der ursprünglich vorhandene Lehm- bzw. Schamottofen im Süden der Backstube wurde bis etwa 1948 mit Holz und Kohle befeuert, danach wurde auf Heizöl Leicht oder Gasöl umgestellt. Die festen Brennstoffe wurde in einem Schuppen gelagert, das Mineralöl in Fässern im Hof an der straßenseitigen Abgrenzungsmauer (Lagerkapazität max. 2.500 kg). Das Mineralöl wurde per Handpumpe in einen 350 l fassenden Tagestank umgepumpt.

Im Westen der Backstube wurde im Jahr 1949 zusätzlich ein Dampfbackofen installiert, der bis 1966 mit festen Brennstoffen betrieben wurde, danach bis 1968 mit Heizöl und später mit Thermoöl.

Im Osten der Backstube wurde im Jahr 1964 ein Etagenbackofen neu installiert und daneben ein 500 l fassender Tank für Heizöl Leicht auf Konsolen montiert. Die Befüllung erfolgte aus Fässern von der Straße aus. Im Jahr 1968 wurden zwei weitere Backöfen in Betrieb genommen.

Die Lagerung von Heizöl Leicht erfolgte ab 1968 in einem Kastentank mit einem Fassungsvermögen von 7.800 l, welcher in einem Keller unter der Backstube aufgestellt war. Die Befüllung des Tanks erfolgte über einen Kellerschacht in der nördlich des Standorts verlaufenden Pfanngasse. Mit diesem Heizöltank wurden die 3 Backöfen und die Zentralheizungsanlage versorgt. Die Ölleitungen waren streckenweise unterirdisch bzw. nicht einsehbar (unterputz) geführt.

Im Jahr 1986 wurde die Backstube nach Süden erweitert und ein Backofen dorthin verlegt oder neu aufgestellt.

Die historische Nutzung des Standorts ist in unten folgender Abbildung dargestellt. Nach 1990 erfolgten weitere Zu- und Umbauten.

Anlässlich des Auftretens von Mineralöl in mehreren Brunnen im Nahbereich des Altstandorts im Juli 1997 wurden am Ölversorgungssystem der Öfen fehlerhafte Leitungsinstallationen und Undichtheiten an mehreren ölführenden Leitungen (Entlüftungsleitung, Versorgungs- und Rücklaufleitung des Tagestanks) festgestellt. Im Mauerwerk an einem Kaminfundament wurde eine Verölung festgestellt.

Die Ölleitungen wurden noch im Jahr 1997 vollständig erneuert. Bereits Mitte der 1980er Jahre war eine Saugleitung erneuert worden, da der Brenner nicht ausreichend mit Öl versorgt wurde.

Im Jahr 1998 lag der Heizöljahresverbrauch in einer Größenordnung von 50.000-60.000 Liter bei einem Befüllungsintervall von 6-8 Wochen.

Untergrundverhältnisse

Das Gelände des Altstandortes befindet sich auf etwa 180 m ü. A. und ist wie das umliegende Gelände weitestgehend eben. Der Standort ist vollständig bebaut bzw. versiegelt.

Der Standort befindet sich auf einer fluviatilen Niederterrasse rechtsseitig der Donau. Unter der Oberflächenversiegelung stehen anthropogene Anschüttungen an, die lokal eine Mächtigkeit bis zu 5 m erreichen und teilweise bis ins Spätmittelalter zurückreichen. Darunter folgt der natürliche Untergrund als Überrest der ursprünglichen Auesedimente (schluffiger Sand), die in 3-5 m Tiefe zu stark sandigen Fein- und Mittelkiesen übergehen. Die Sande und Kiese bilden den Porengrundwasserleiter. Der Stauer (sandiger Ton) ist in rd. 12 m Tiefe anzutreffen.

Der Flurabstand im Standortbereich beträgt 6-7 m. Die Schwankungen des Grundwasserspiegels liegen seit Errichtung des Kraftwerkes Greifenstein im Jahr 1985 bei etwa 1,5 m. Die generelle Grundwasserströmung ist von West nach Ost gerichtet, im unmittelbaren Standortbereich erfolgt die Strömung bei einem Gefälle von 0,5-2 ‰ vorwiegend nach Ostsüdost.

Die hydraulische Durchlässigkeit kann in einem Bereich zwischen etwa 3×10-3 m/s und 2×10-4 m/s angenommen werden.

Die spezifische hydraulische Fracht der gesättigten Zone (rd. 5 m Wassersäule) kann im Bereich 0,1-1 m³ pro Tag je Querschnittsmeter abgeschätzt werden.

Das Niederschlagswasser bzw. die Dachwässer werden am Altstandort und auf den angrenzenden Straßenflächen in die Kanalisation eingeleitet. Die Sickerwassermenge im Bereich des Altstandortes ist daher insgesamt als sehr gering anzunehmen.

Schutzgüter und Nutzungen

Der Altstandort wird teilweise durch ein Lebensmittelgeschäft, als Vereinslokal und als Wohnhaus genutzt. Teile der Betriebsräumlichkeiten stehen leer. Im Umfeld des Altstandorts befinden sich entsprechend der innerstädtischen Lage Wohn- und Geschäftshäuser. Die Nutzung des Standorts und der Umgebung im Jahr 2018 geht aus dem Luftbild in Abbildung 4 hervor.

Der Standort liegt im Grundwasserkörper „Tullnerfeld“ (GK 100026) und befindet sich in keinem Grundwasserschutz- oder Grundwasserschongebiet.

Am Standort und im Umfeld befinden sich zahlreiche Hausbrunnen, die vereinzelt noch zur Nutzwasserversorgung dienen (z.B. Wärmepumpenbetrieb). Die meisten Hausbrunnen werden nicht genutzt. Im Abstrom sind bis 500 m keine Brunnen zur Trinkwasserversorgung bekannt.

 

GEFÄHRDUNGSABSCHÄTZUNG

Auf dem Altstandort „Bäckerei Hebenstreit“, der eine Fläche von rd. 400 m² aufweist und vollständig bebaut bzw. versiegelt ist, wurden ab Anfang der 1920er Jahre über einen Zeitraum von rd. 90 Jahren Backwaren hergestellt. Zur Energieversorgung des Backofens und zur Beheizung des Gebäudes wurde ab 1948 Heizöl Leicht verwendet. Der Lagertank befand sich im Untergeschoß. Die Ölleitungen waren streckenweise unterirdisch bzw. nicht einsehbar (unterputz) geführt.

Im Bereich der Backstube kam es entlang der Ölleitungen über mehrere Jahre hinweg zu einem Austritt von Heizöl in den Untergrund. Das Heizöl breitete sich in der ungesättigten Zone unter dem Bäckereigebäude aus und erreichte den Grundwasserschwankungsbereich in etwa 6-7 m unter GOK. Im Jahr 1997 wurde in mehreren Hausbrunnen im Umfeld der Bäckerei Heizöl festgestellt. Eine damals durchgeführte Altersbestimmung ergab, dass es sich um Heizöl Leicht handelte, das zwischen Anfang 1984 und März 1989 im Handel erhältlich war.

Zwischen 1997 und 2004 wurden hydraulische Sanierungsmaßnahmen durchgeführt (Ölabsaugung, Einsatz von Ölbindemittel, Pump & Treat-Verfahren), im Zuge derer mehrere hundert Liter Heizöl aus dem Grundwasser entfernt wurden.

Die Untersuchung von Feststoffproben im Jahr 2018 zeigt im Untergrund unter der Backstube ab der Bodenplatte Verunreinigungen durch Heizöl Leicht. Die Gesamtgehalte an Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) übersteigen den Richtwert für erhebliche Kontaminationen von 500 mg/kg TS [1] für den KW-Index um ein Vielfaches und liegen bei bis zu 34.000 mg/kg TS. Die aktuell festgestellte Intensität der Verunreinigung liegt in der gleichen Größenordnung wie bereits im Jahr 1999 anhand von Untersuchungen festgestellt. Die Sättigungskonzentration von Heizöl Leicht in fein-mittelsandigem Untergrund kann im Bereich von 20.000 mg/kg TS angenommen werden. Aufgrund der teilweise deutlich darüber liegenden MKW-Gesamtgehalte ist zumindest lokal vom Vorliegen von Mineralöl als flüssige Phase in der ungesättigten Zone auszugehen.

Die gemäß den Ergebnissen von Bodenluftuntersuchungen lokal stark erhöhten Kohlendioxidgehalte weisen auf einen mikrobiellen Abbau der MKW im Schadensherd hin.

Am Grundwasser schwimmt im Bereich des Altstandorts eine Mineralölphase auf, die unmittelbar nördlich der Backstube eine Mächtigkeit im Zentimeter- bis Dezimeter-Bereich aufweist und im unmittelbaren Abstrom als Ölfilm auftritt. Die von Mineralölphase am Grundwasser betroffene Fläche kann mit rd. 750 m² abgeschätzt werden.

Das Volumen des erheblich kontaminierten Untergrundbereiches wird in einer Größenordnung von 1.000 m³ abgeschätzt, davon etwa 60 % in der ungesättigten Zone unter der Backstube.

Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen ergeben sich im Anstrombereich zum Altstandort keine Hinweise auf Mineralölverunreinigungen und aufgrund der 1997 durchgeführten Recherchen auch keine Hinweise auf andere Eintragsstellen als den Bäckereibetrieb.

Im Vergleich mit dem Schadensbild im Jahr 1997 vor den Sanierungsmaßnahmen, das Mineralölphase in mehreren umliegenden Hausbrunnen zeigte, ist die Ausdehnung der Mineralölphase aktuell deutlich kleiner und auf den Nahbereich des Altstandorts beschränkt. Restverunreinigungen sind im weiteren Umfeld des Altstandorts im Grundwasserschwankungsbereich noch vorhanden. Sie treten als erhöhte MKW-Werte in Schöpfproben und fallweise als Ölschlieren in Messstellen und Brunnen auf bzw. als Ölfilm in einem 40 m abstromig gelegenen Brunnen.

In den Pumpproben, welche an mehreren Terminen und im Zuge von Pumpversuchen entnommen wurden, sind im Bereich der Mineralölphase leicht erhöhte MKW-Konzentrationen bis zum 2-fachen des Prüfwerts der ÖNORM S 2088-1 festzustellen. Außerhalb dieses Bereiches sind hingegen keine gelösten Mineralölkohlenwasserstoffe in relevanten Konzentrationen nachweisbar. Aufgrund der herabgesetzten Sauerstoffgehalte ist von einem mikrobiellen Schadstoffabbau der gelösten MKW auf kurzer Fließstrecke auszugehen. Die aus dem erheblich kontaminierten Bereich über eine Abstrombreite von max. 25 m abströmende Schadstoffmenge ist mit <5 g/d sehr gering.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass ausgehend vom Altstandort „Bäckerei Hebenstreit“ und dessen Heizungsanlage eine erhebliche Untergrundverunreinigung durch Heizöl Leicht vorliegt. Durch Sanierungsmaßnahmen im Zeitraum 1997-2004 wurde das Schadensausmaß zwar reduziert, allerdings ist aktuell auf einer Fläche von etwa 750 m² Heizöl auf dem Grundwasser aufschwimmend vorhanden. Die ungesättigte Zone im Bereich des Altstandorts und darüber hinausreichend der Grundwasserschwankungsbereich in etwa 6-7 m Tiefe sind im Gesamtausmaß von etwa 1.000 m³ erheblich verunreinigt. Darüber hinaus sind im Umfeld des Altstandortes noch Restverunreinigungen vorhanden. Die Emissionen aus dem Bereich der erheblichen Untergrundverunreinigung bzw. die Belastung des abströmenden Grundwassers sind sehr gering.

 

PRIORITÄTENKLASSIFIZIERUNG

Maßgebliches Schutzgut für die Bewertung des Ausmaßes der Umweltgefährdung ist das Grundwasser. Die maßgeblichen Kriterien für die Prioritätenklassifizierung können wie folgt zusammengefasst werden:

Schadstoffpotenzial: erheblich

Auf einer Fläche von etwa 750 m² ist der Untergrund im Grundwasserschwankungsbereich erheblich mit Mineralölkohlenwasserstoffen bzw. Heizöl Leicht verunreinigt. Dabei schwimmt eine Mineralölphase auf dem Grundwasser auf. Das Volumen des erheblich verunreinigten Untergrundbereiches in der ungesättigten Zone und im Grundwasserschwankungsbereich kann mit insgesamt 1.000 m³ abgeschätzt werden. Heizöl Leicht weist aufgrund der stofflichen Eigenschaften ein hohes Gefährdungspotential für das Grundwasser auf und ist als schädlich einzustufen. Unter Berücksichtigung der Art der Schadstoffe und des Ausmaßes der Verunreinigungen ergibt sich insgesamt ein erhebliches Schadstoffpotential.

Schadstoffausbreitung: lokal

Aufgrund der Untergrundverhältnisse und der Ergebnisse der Grundwasseruntersuchungen kann die Länge der Schadstofffahne mit unter 10 m abgeschätzt werden. Die mit dem Grundwasser abströmende Fracht an Mineralölkohlenwasserstoffen ist als sehr gering einzuschätzen. Die Schadstoffausbreitung ist daher insgesamt als lokal zu beurteilen. Eine weitere Schadstoffausbreitung ist mittel- und langfristig nicht zu erwarten.

Schutzgut: nutzbar

Der Altstandort und der Bereich mit erheblicher Mineralölbelastung befinden sich in keinem wasserwirtschaftlich besonders geschützten Gebiet. Auf dem Standort und im Umfeld befinden sich zahlreiche Hausbrunnen, die jedoch nur vereinzelt zur Nutzwasserversorgung dienen. Trinkwassernutzungen sind im Abstrom bis 500 m Entfernung nicht bekannt. Eine Gefährdung bestehender, wasserrechtlich bewilligter Nutzungen zu Wasserversorgungszwecken ist nicht gegeben. Das Grundwasserdargebot ist als gering bis mäßig ergiebig zu beurteilen. Das anströmende Grundwasser weist eine anthropogene Vorbelastung auf.

Prioritätenklasse – Vorschlag: 3

Entsprechend der Beurteilung der vorhandenen Untersuchungsergebnisse, der Gefährdungsabschätzung und den im Altlastensanierungsgesetz § 14 festgelegten Kriterien ergibt sich die Prioritätenklasse 3.

  

 

Datum der Texterstellung: Dezember 2021